Die Agrarlandschaft von morgen – zeitgemäße Lösungen für die „Lebensgemeinschaft Rebhuhn“

Umweltminister Dr. Marcel Huber eröffnete Ende Juli das neue Bayern-Netz-Natur-Projekt Agrarlandschaft Oberfranken. Die Wildland-Stiftung Bayern ist Mitglied der Trägergemeinschaft zur Umsetzung dieses innovativen Projekts.

Das Projekt wird gefördert über den Bayerischen Naturschutzfonds aus Mitteln der Glücksspirale und der Oberfrankenstiftung.

Bei strahlendem Sonnenschein und 32 Grad C wurde am 26.07.18 im „Dreiländereck“ der Landkreise Coburg, Kronach und Lichtenfels vom Bayerischen Umweltminister Dr. Marcel Huber ein neues, innovatives Naturschutzprojekt eröffnet, das der Bayerische Naturschutzfonds zu 85% fördert. Weitere 5% kommen von der Oberfrankenstiftung. Die verbleibenden 10% teilen sich eine Trägergemeinschaft aus Ökologischer Bildungsstätte Oberfranken (ÖBO), Landesbund für Vogelschutz (LBV) und Wildland-Stiftung des Bayerischen Landesjagdverbandes (BJV) zu gleichen Teilen. Das Gesamtvolumen beträgt rund 500.000 € und die Projektlaufzeit geht über fünf Jahre in den drei genannten Landkreisen.

Eine Besonderheit dieses Projektes besteht darin, dass es sich nicht auf Grenzertragsflächen und eher extensiv genutzte Landschaften bezieht, sondern  – im Gegenteil – gerade die intensiv genutzte Agrarlandschaft im Fokus hat. Es sollen modellhafte Methoden entwickelt werden, wie die Biodiversität der intensiv genutzten Agrarlandschaft dauerhaft gesichert werden kann. Die Leitart hierfür ist das Rebhuhn, die quasi als Schirmart einen Großteil dieser selten gewordenen Lebensgemeinschaft abdeckt. Gelingt es, durch biotopverbessernde Maßnahmen den Rebhuhnbestand wieder aufzubauen, dann ist davon auszugehen, dass auch ein Großteil der Insekten und Wildkräuter sowie andere Feldvogelarten dieser Lebensgemeinschaft (z.B. Feldlerche, Goldammer, Neuntöter, Dorngrasmücke, Hänfling, Stieglitz) davon ebenso profitieren. In Mitteleuropa brachen die Rebhuhn-Bestände seit Beginn des wissenschaftlich betriebenen Vogel-Monitorings seit 1990 um etwa 90 % ein. Dabei waren die Brutbestände bereits damals nur noch ein kleiner Rest des Bestandes, den es bis Ende der 1960er Jahre einmal bei uns gegeben hat. Heute ist davon auszugehen, dass allenfalls noch 1% der Populationsgröße von 1965 vorhanden ist. Im Projektgebiet hat sich allerdings fast flächendeckend noch ein niedriger Rebhuhnbestand bis heute erhalten. Die Art ist hier noch nirgends völlig ausgestorben, so dass man ihr noch gut helfen kann, ohne an naturschutzfachlich fragwürdige Auswilderungen zu denken, die hier keinesfalls erfolgen sollen. Es sollen die Habitate der Art systematisch aufgewertet und vernetzt werden!

Um hier etwas entgegen zu setzen, sollen über das Projekt vom Naturschutz gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Bewirtschaftern und Jägern Biotop verbessernde Maßnahmen in größerem Umfang ergriffen werden, die das Rebhuhn und sein Lebensgemeinschaft fördern, aber trotzdem gut in die landwirtschaftlichen Betriebsabläufe integrierbar sind. Finanziell sollen die Landwirte voll entschädigt werden, wo auch der etwas höhere Betriebsaufwand mit berechnet wird. Eine Hauptmaßnahme ist die Einsaat von Blühstreifen oder Blühparzellen mit der sog. „Göttinger Mischung“, die speziell für das Rebhuhn optimiert zusammen gestellt wurde und im Lkr. Göttingen bereits erfolgreich ausprobiert worden ist. Diese Streifen oder Parzellen sollen nur in der offenen Agrarlandschaft etwa 200 m entfernt von Waldrändern oder Feldgehölzen mit hohen Bäumen angelegt werden. Rebhühner meiden Bäume und Hochgehölze. Niedrige Feldhecken (meist aus Dornensträuchern) werden von ihnen aber v.a. im Winter sehr gerne angenommen und dürfen sich auch direkt neben Blühflächen befinden. Wichtig ist außerdem, dass ein Blühstreifen mind. 20 m breit ist. Erst dann bietet er ausreichend Schutz vor Beutegreifern, insbes. dem Fuchs als natürlichem Hauptfeind des Rebhuhns. Natürlich können auch Vorgewende, Feldspitzen oder ganze Flurnummern bzw. Teilflächen davon bis etwa 0,5 ha Größe in der offenen Agrarlandschaft zur Einsaat verwendet werden. Es müssen nicht unbedingt gerade Streifen sein! Noch vorhandene Feldraine, Graswege, ältere Brachen, Ruderalflächen und Hecken sind als Ergänzung für die Ansaatstreifen mit der Blühmischung natürlich immer sehr günstig. Erst ab einer gewissen Netzdichte werden die Maßnahmen für das Rebhuhn ökologisch voll wirksam. Diese soll über das Projekt durch zusätzliche Förderung erreicht werden. Die Kommunen sollen zudem auf ihren Flächen durch eine ökologische Anpassung der Pflege (z.B. von Wegerändern oder Ortsstraßenrändern) das Biotopnetz verdichten und so das Projekt mit unterstützen. Somit dürften kommunale Wegeränder und Brachen nicht vor dem 01.08. gemäht werden und das auch immer nur im halbseitigen Wechsel. Auch für die Blühstreifen selbst muss die bisher geltende Mulchpflicht entfallen. Sie sind im Wechsel halbseitig im Herbst zu mähen (Stoppelbrache) und bis Anfang April des Folgejehres wieder neu einzusäen, so dass immer ein einjähriger und eine zweijähriger Bestand vorhanden ist. Der einjährige Bestand liefert viele Blüten- und annuelle Samenpflanzen, der Zweijährige liefert Deckung und höhere blühende Wildstauden. In beiden Beständen herrscht eine deutlich höhere Insektendichte (Futter für die Jungvögel) als nebenan im Acker. Natürlich wird hier nicht gespritzt oder gedüngt.

Begleituntersuchungen sollen die Wirksamkeit evaluieren. Wenn diese signifikant nachweisbar ist, sollen Agrarumweltprogramme an die spezifischen Ansprüche der Feldvögel und die Agro-Biodiversität angepasst werden. Heute schon kann man fordern, die Mulchverpflichtung  aufzuheben, ja vor dem 01.08. ausdrücklich zu verbieten! In die Förderprämien sollten außerdem der höhere Zeit-/Arbeitsaufwand und die Kosten des speziellen Saatguts einberechnet werden, wodurch die Förderprämien um ca. 35% höher als bisher lägen. Dann würden solche Programme von der Landwirtschaft auch besser angenommen. Schließlich sollten etwa 10% der intensiv genutzten Agrarlandschaft aus solchen Landschaftselementen wie oben beschrieben bestehen, die aber ruhig auf den schlechteren Teilflächen liegen können und so angelegt werden sollten, dass sie auch z.B. gleich dem Erosionsschutz dienen und die Hauptbewirtschaftung wenig stören.

Wenn es über das Projekt durch gute Förderung und Betreuung gelingt, sowohl qualitativ wie quantitativ eine Mindest-Habitatausstattung der besseren Ackerlagen mit ökologisch wirksamen Biotopelementen hinzubekommen, dann werden auch die Rebhuhnbestände stabilisiert und sogar wieder anwachsen – und mit ihnen alle anderen Feldvogelarten, die Insekten und Ackerwildkräuter. Das sollte dann flächendeckend zur „guten fachlichen Praxis“ der Landbewirtschaftung werden und den Landwirten zuverlässig und dauerhaft als wichtige Dienstleistung an der Gesellschaft entgolten werden.

Frank Reißenweber, LBV-Landesvorstandsmitglied